Weitere internationale Abkommen und europarechtliche Regelungen
Frauenrechte sind Menschrechte. Alle grundlegenden, in menschenrechtlichen Abkommen verbürgten Rechte, wie etwa das Recht auf Leben oder das Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung, sind im Zusammenhang mit Gewalt gegen Frauen einschlägig.
Die Regelungen der Istanbul-Konvention werden durch zahlreiche weitere internationale Abkommen und europarechtliche Bestimmungen ergänzt. Nachfolgend finden sich zentrale menschenrechtliche, gewalt- und geschlechtsspezifische Abkommen und Resolutionen.
Auch die aktuellen Nationalen Aktionspläne sind an thematisch passender Stellen angeführt. Bei Nationalen Aktionsplänen handelt es sich um Strategiedokumente auf nationaler Ebene, die die Vorgehensweise einer Regierung bei der Umsetzung eines zusammengehörigen Themenbereichs festlegen.
Wirkung von internationalen Abkommen und europarechtlichen Regelungen
Der Abschluss von Staatsverträgen mit gesetzesänderndem oder -ergänzendem Inhalt ist durch den Nationalrat zu genehmigen. Anlässlich dieser Genehmigung kann der Nationalrat gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z. 4 B-VG aussprechen, ob bzw. in welchem Umfang das Abkommen durch nationale Gesetze umzusetzen ist („Erfüllungsvorbehalt“).
Wurde ein „Erfüllungsvorbehalt“ beschlossen, ist die unmittelbare Anwendbarkeit des Abkommens ausgeschlossen. Dementsprechend dürfen keine innerstaatlichen Vollzugsakte (z.B. Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidungen) direkt darauf gestützt werden. Zudem können sich Einzelne nicht direkt darauf berufen (keine subjektiven Rechte). Das jeweilige Abkommen ist dennoch völkerrechtlich verbindlich.
Ein Beispiel für einen unmittelbar anwendbaren Staatsvertrag („self-executing“) ist die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK).
EU-Richtlinien müssen durch nationale Rechtsakte umgesetzt werden.
In Ausnahmefällen können die Bestimmungen unmittelbare Wirkung entfalten, wenn sie nicht umgesetzt werden. Die Voraussetzungen hierfür sind, dass sie inhaltlich unbedingt und ausreichend bestimmt sind sowie Einzelne begünstigen. Betroffene können sich in diesen Ausnahmefällen vor Gerichten oder Verwaltungsbehörden direkt darauf berufen.
EU-Verordnungen sind verbindlich und gelten unmittelbar in den EU-Mitgliedstaaten. Eine Umsetzung in nationales Recht ist daher nicht notwendig bzw. grundsätzlich auch nicht zulässig.
Vereinte Nationen (UN)
Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW)
Hauptziel des "Übereinkommens der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeglicher Form von Diskriminierung der Frau" ist die Beseitigung der Diskriminierung von Frauen in sämtlichen Lebensbereichen: Arbeits- und Sozialbereich, Ehe und Familie, Bildung und Ausbildung, im politischen und öffentlichen Leben, Gesundheit und Schutz vor Gewalt.
Gewalt an Frauen ist in der Frauenrechtskonvention zwar nicht explizit genannt, die Allgemeinen Empfehlungen des CEDAW-Komitees, wie zum Beispiel Nummer 12 zu Gewalt gegen Frauen (1989), Nummer 19 zu Gewalt gegen Frauen (1992) sowie Nummer 35 zu Gewalt gegen Frauen (2017) bestärken, dass der Themenbereich zur Konvention gehört. Am 1. August 2023 wurde zudem vom CEDAW-Komitee ein Papier zum Thema "Domestic Violence as Gender-based Violence under the CEDAW" veröffentlicht.
Die Konvention ist in Österreich 1982 in Kraft getreten. Einzelne Bestimmung stehen im Verfassungsrang. Für die Konvention wurde ein „Erfüllungsvorbehalt“ beschlossen, weshalb sie nicht unmittelbar anwendbar ist und durch Gesetze umgesetzt werden muss.
Weiterführende Informationen
Agenda "Frauen, Frieden, Sicherheit" (WPS-Agenda)
Die WPS-Agenda hat zum Ziel, Frauen und Mädchen in Kriegsgebieten zu schützen sowie ihre Teilnahme an politischen Prozessen und in Institutionen bei der Bewältigung und Verhütung von Konflikten zu stärken. Im 14. Umsetzungsbericht wird dazu festgehalten: "Knapp über 50 % der Weltbevölkerung besteht aus Frauen. Daher muss es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein, die internationale Sicherheitspolitik so zu gestalten, dass sowohl die aktive Teilhabe an Konfliktlösungs- und Friedensprozessen als auch ihr Schutz in bewaffneten Konflikten systematisch gewährleistet wird. Nur wenn Frauen und Mädchen als „agents of change“ eine aktive Rolle in politischen Entscheidungsprozessen, Konfliktverhütungs-, Konfliktlösungs- und Wiederaufbauprozessen spielen, können nachhaltig friedliche Gesellschaften entstehen. Das ist der Kerngedanke der bahnbrechenden Resolution 1325 zu Frauen, Frieden und Sicherheit, die der VN-Sicherheitsrat (VN-SR) im Jahr 2000 verabschiedet hat." (siehe 14. Umsetzungsbericht, Seite 5)
Die Resolution 1325 wurde seither kontinuierlich fortentwickelt und durch neun Folgeresolutionen mit spezifischen Schwerpunkten – bekannt unter dem Namen "Women, Peace and Security Agenda" (WPS-Agenda) – komplettiert.
Weiterführende Informationen
Ziele des überarbeiteten Nationalen Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Sicherheitsratsresolution zu Frauen, Frieden, Sicherheit sind die Förderung der Einbindung von Frauen in Friedensprozesse, die Stärkung von Präventionsmaßnahmen gegen Gewalt gegen Frauen, die vermehrte Teilnahme von Frauen an österreichischen Friedenseinsätzen sowie das Eintreten für mehr Geschlechtergerechtigkeit in Führungspositionen internationaler Organisationen.
Weiterführende Dokumente
Behindertenrechtskonvention
Das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen erkennt an, dass Frauen und Mädchen mit Behinderungen in besonderem Ausmaße von Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch betroffen sind. Das Abkommen verpflichtet die Vertragsstaaten, geeignete Gesetzgebungs-, Verwaltungs-, Sozial-, Bildungs- und sonstigen Maßnahmen zu treffen, um Menschen mit Behinderungen davor zu schützen (Artikel 16).
Die Konvention ist in Österreich seit 26. Oktober 2008 in Kraft. Sie ist durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen und damit nicht unmittelbar anwendbar.
Weiterführende Informationen
Der "Nationale Aktionsplan Behinderung 2022-2030" ist die langfristige Strategie des Bundes zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Er beinhaltet fast 300 gemeinsame, politische Zielsetzungen, auf die sich alle Bundesministerien und die Länder verständigt haben sowie rund 150 Indikatoren, die den Zielerreichungsgrad messen sollen.
Weiterführende Informationen
Zusatzprotokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels
Unter Menschenhandel ist nach dem "UN-Zusatzprotokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels" "die Anwerbung, Beförderung, Verbringung, Beherbergung oder Aufnahme von Personen (…) zum Zweck der Ausbeutung" zu verstehen. Menschenhandel ist eine Menschenrechtsverletzung, die Frauen, Männer und Kinder gleichermaßen betreffen kann. Bislang ist in Österreich die sexuelle Ausbeutung die Haupterscheinungsform.
Das Zusatzprotokoll ist in Österreich 2005 in Kraft getreten und durch die Erlassung von Gesetzen umzusetzen.
Weitere Übereinkommen zur Bekämpfung des Menschenhandels
Es gibt auf Ebene der Vereinten Nationen, des Europarats und der Europäischen Union weitere internationale Rechtsdokumente zur Bekämpfung des Menschenhandels. Österreich ist Vertragsstaat sämtlicher internationaler Abkommen gegen Menschenhandel.
Weiterführende Informationen
- Gesetzestext: Zusatzprotokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels, zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität
- Kampf gegen den Menschenhandel (Webseite Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten)
- Menschenhandel (Webseite Bundeskriminalamt)
Der "Nationale Aktionsplan zur Bekämpfung des Menschenhandels 2024-2027" wurde von der Task Force zur Bekämpfung des Menschenhandels erarbeitet und von der österreichischen Bundesregierung beschlossen. Es handelt sich bereits um den 7. Nationalen Aktionsplan zur Bekämpfung des Menschenhandels. Die Aktionspläne verfolgen einen umfassenden Ansatz in der Bekämpfung des Menschenhandels und beinhalten Maßnahmen zur nationalen Koordination, zur Prävention, zum Opferschutz, zur Strafverfolgung und zur internationalen Zusammenarbeit.
Weiterführendes Dokument
Europarat (EuR)
Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK)
Die "Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten“ ist in Österreich seit 1958 in Kraft. Sie steht in Österreich im Verfassungsrang und ist unmittelbar anwendbar (vgl. Beschwerde gem. Art. 144 Abs. 1 B-VG vor dem VfGH).
Die EMRK schützt wesentliche Rechte und Freiheiten, wie zum Beispiel das Recht auf Freiheit und Sicherheit, das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren oder das Recht auf Privat- und Familienleben. Die EMRK verbietet zudem Gewalt gegen Frauen; einschlägig ist unter anderem das Recht auf Leben. Die Vertragsstaaten sind demnach verpflichtet, Frauen und Mädchen vor Gewalt, einschließlich häuslicher Gewalt und sexueller Gewalt, zu schützen.
Die Einhaltung der EMRK wird in Straßburg durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) überwacht. Auch einzelne Personen können sich unter gewissen Voraussetzungen an den EGMR wenden (Individualbeschwerde).
Weiterführende Informationen
Lanzarote-Übereinkommen zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch
Bei diesem Übereinkommen des Europarates handelt es sich um die erste internationale Übereinkunft, die zahlreiche Formen des sexuellen Missbrauchs von Kindern unter Strafe stellt; unter anderem jenen Missbrauch, der Zuhause oder in der Familie, unter Einsatz von Gewalt, Zwang oder Drohungen stattfindet.
Das Übereinkommen ist in Österreich im Jahr 2011 in Kraft getreten. Es ist durch die Erlassung von Gesetzen umzusetzen.
Weiterführende Informationen
Europäische Union (EU)
Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt
Die Richtlinie trat am 13. Juni 2024 in Kraft und ist innerhalb von drei Jahren in nationales Recht umzusetzen. Sie legt Mindestvorschriften für die Definition bestimmter Straftatbestände und Strafen fest, um gegen bestimmte Formen der Gewalt vorzugehen. Folgende Delikte sind umfasst:
- FGM/C
- Zwangsheirat
- bestimmte schwerwiegende Cyberdelikte, wie etwa die nicht-einvernehmliche Weitergabe von intimem oder manipuliertem Material oder Cyberflashing (erfasst unter anderem das Versenden von sog. „Dick Pics“ als Cybermobbing)
Weiters beinhaltet die Richtlinie Opferrechte und Regelungen im Bereich der Prävention (z.B. Sensibilisierungsmaßnahmen zur Verhinderung von sexueller Gewalt und Vergewaltigung).
Weiterführende Informationen
Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer
Die Richtlinie zur „Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer“ stammt aus dem Jahr 2011 und sieht Mindestvorschriften für die Definitionen von Straftaten und Strafen sowie Vorschriften zur Stärkung der Prävention sowie zum Schutz der Opfer vor.
Aufgrund neuer Herausforderungen in diesem Bereich wurde die Richtlinie überarbeitet. Die Richtlinie zur Änderung der ursprünglichen Richtlinie aus 2011 trat am 14. Juli 2024 in Kraft und ist binnen 2 Jahren in nationales Recht umzusetzen. Wesentliche Neuerungen betreffen die ...
- Aufnahme neuer, explizit aufgezählter „Ausbeutungsformen“ im Straftatbestand, nämlich Leihmutterschaft, Zwangsheirat und illegale Adoption.
- Beachtung der online-Dimensionen (Erschwerungsgrund).
- Konkretisierung der Präventionsmaßnahmen sowie die Aufnahme einer Bestimmung zu Schulungen für bestimmte Berufsgruppen.
- Einführung einer Strafbarkeit für Personen, die wissentlich (Dienst-)Leistungen von Opfern von Menschenhandel in Anspruch nehmen.
- Verpflichtung zur Einführung von Nationalen Aktionsplänen.
Weiterführende Informationen
- Richtlinie 2011/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Rates
- Richtlinie (EU) 2024/1712 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juni 2024 zur Änderung der Richtlinie 2011/36/EU zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer
Der "Nationale Aktionsplan zur Bekämpfung des Menschenhandels 2024-2027" wurde von der Task Force zur Bekämpfung des Menschenhandels erarbeitet und von der österreichischen Bundesregierung beschlossen. Es handelt sich bereits um den 7. Nationalen Aktionsplan zur Bekämpfung des Menschenhandels. Die Aktionspläne verfolgen einen umfassenden Ansatz in der Bekämpfung des Menschenhandels und beinhalten Maßnahmen zur nationalen Koordination, zur Prävention, zum Opferschutz, zur Strafverfolgung und zur internationalen Zusammenarbeit.
Weiterführendes Dokument
Opferschutzrichtlinie
Das Ziel der "Richtlinie über Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten" aus dem Jahr 2012 ist sicherzustellen, dass Opfer von Straftaten angemessene Informationen, Unterstützung und Schutz erhalten und sich am Strafverfahren beteiligen können.
Die Richtlinie wurde in Österreich durch das Strafprozessrechtsänderungsgesetz I 2016 umgesetzt. Eingeführt wurde hierdurch etwa § 66a StPO zur besonderen Schutzbedürftigkeit von Opfern. Besonders schutzbedürftig sind jedenfalls Opfer von Sexualdelikten, Opfer zu deren Schutz ein Betretungs- und Annäherungsverbot zum Schutz vor Gewalt nach § 38a Abs. 1 SPG verhängt werden könnte sowie minderjährige Opfer. Diesen stehen im Strafverfahren unter anderem folgende Rechte zu:
- Einvernahme im Ermittlungsverfahren durch eine Person des gleichen Geschlechts
- schonende Einvernahme
- Ausschluss der Öffentlichkeit von der Verhandlung
- Beiziehung einer Vertrauensperson
Derzeit wird die Opferschutzrichtlinie überarbeitet.
Weiterführende Informationen
- Richtlinie 2012/29/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2001/220/JI
- EU - Stärkung des Opferschutzes (Webseite Bundesministerium für Justiz)
- Kommission schlägt Stärkung der Rechte von Opfern von Straftaten vor (Webseite Europäische Kommission)